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Oben Strom, unten Tiere, Obst und Gemüse

Mit Agri-Photovoltaik-Anlagen oder kurz Agri-PV-Anlagen können Flächen landwirtschaftlich genutzt und gleichzeitig Strom produziert werden. Dabei sind die Einsatzmöglichkeiten vielfältig und kommen Natur, Mensch und Klima gleichermaßen zugute.

 

„Eine erste Freiflächen-Photovoltaik-Anlage mit einem Teilbereich als Agri-Photovoltaik haben wir im Rheinischen Revier vor einigen Jahren in Heinsberg errichtet“, sagt Edith Seemann, Geschäftsführerin der SUNfarming Projekt GmbH und Vorstandsmitglied des LEE NRW Abteilung Rheinland. Seit Juni 2022 wird auf dem Gelände der ehemaligen Kiesgrube „Tagebau Wilhelm“ grüner Strom produziert. Der dort errichtete Solarpark mit einer Leistung von 5,1 Megawatt erzeugt grüne Energie für rechnerisch mehr als 1.500 Haushalte. Doch die mittelständische Firma mit ihrem Hauptsitz in Erkner bei Berlin und Tochterfirma im Rheinland/NRW will nicht nur Strom produzieren. „SUNfarming-Gründer Peter Schrum ist Agrar-Ökonom“, so Seemann. „Sein Ziel ist seit jeher, Solarenergie mit landwirtschaftlicher und ökologischer Nutzung auf Agrarflächen zu verbinden.“

Wie ein offenes Gewächshaus

Aus der Luft betrachtet, sieht die Freiflächen-Photovoltaik-Anlage wie ein herkömmlicher Solarpark aus. Die Besonderheit erschließt sich bei näherer Betrachtung. Die Agri-PV-Reihen sind hoch aufgeständerten und stehen auf einer Dauergrünland-Fläche. Drei Meter Abstand beträgt der Abstand der Glas-Glas-Module, von Kante zu Kante. „Die Anlage ist entsprechend der DIN SPEC 91434 auf 2,10 Meter lichte Höhe am niedrigsten Punkt aufgeständert“, erklärt Seemann. „Dadurch bleibt unter der Agri-PV-Anlage etwa 99 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche erhalten, die Fläche wird quasi doppelt genutzt.“ Unterhalb der Solarpaneele bleibt es dank der Semitransparenz der Glas-Glas-Module und der bei SUNfarming entwickelten und patentierten Regenwasserverteilschiene hell und vollflächig grün. In Heinsberg weiden verschiedene Arten von Schafen unterhalb der Agri-PV-Anlage, werden Bienenköniginnen auf einer Blühwiese gezüchtet und demnächst Heidelbeeren und Himbeeren angebaut. Licht und Wasser gibt es genügend unterhalb der Solarpaneele. Das Glas ist semitransparent und durch das Regenwassermanagement wird das Wasser breitflächig verteilt, so dass Bodenerosion vermieden wird. „Die Transpiration wird gemindert, so dass mehr Feuchtigkeit in der Bodenkrume erhalten bleibt“, so die Projektentwicklungs-Geschäftsführerin. „Die Temperaturen unter den Modulen sind gemäßigt, quasi wie in einem offenen Gewächshaus.“

Gut für Flora und Fauna

Bei der Entwicklung solcher Agri-PV-Anlagen arbeitet SUNfarming eng mit Landwirtinnen und Landwirten sowie Naturschützerschützenden zusammen. Bei der Umzäunung werden Durchlässe für Kleintiere und Niederwild gelassen, nicht abgeweidete Flächen werden maximal zweimal im Jahr gemäht. „Wir lassen das Grün hier aber höher stehen, damit Insekten und Rehgelege weiterhin Futter und Schutz finden“, betont Seemann. Bei der Projektentwicklung solcher Agri-PV-Anlagen wird immer noch vermutet, dass Tiere vergrämt und Biodiversität gemindert wird. „Erste Studien und unsere eigenen langjährigen Erfahrungen zeigen jedoch, dass meist sogar das Gegenteil der Fall ist“, so die Geschäftsführerin. „Wir haben hier in Heinsberg aber eine Zunahme von Biodiversität und sogar die Ansiedlung von Vögeln an der Unterkonstruktion der Anlage festgestellt.“

Solarpaket 1 soll Agri-PV-Anlagen in die Fläche bringen

Rund zehn Jahre dauerte die Entwicklung und Umsetzung des Heinsberger Agri-Solarparks, vor allen aufgrund der früheren politischen Rahmenbedingungen. Nach dem ersten Solarpaket in 2021 ging es dann mit der Genehmigung zügig. „Für so große Anlagen brauchen wir ein Bauleitplanverfahren und das bedeutet komplexe, bis zu drei Jahre dauernde Genehmigungsprozesse “, erklärt Seemann. „Zudem waren Freiflächen-PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen nach dem EEG nur in den 500 Meter-Bereichen von Autobahnen und doppelgleisigen Eisenbahn-Strecken sowie auf Konversionsflächen genehmigungsfähig.“ Seit 2021 mit dem Solarpaket von Bundeswirtschaftsminister Habeck sowie der Einführung der DIN SPEC 91434 als Definition von Agri-PV und nicht zuletzt durch die Änderung des BauGB im Juli 2023 für die privilegierte Errichtung von 2,5 Hektar hofnahen Agri-PV-Anlagen wurden landwirtschaftliche Flächen für Agri-PV umfassend geöffnet. Dabei bleiben diese agrar- und steuerrechtlich für die Landwirtinnen und Landwirte unverändert – ein enormer Vorteil. Das Solarpaket 1, das 2024 bereits als Gesetz in Deutschland eingeführt wurde, wird noch durch die fehlende beihilferechtliche Genehmigung der EU blockiert, würde aber durch die höhere EEG-Höchstvergütung von 9,5 Cent pro Kilowattstunde für hochaufgeständerte Agri-PV-Anlagen nach DIN SPEC für eine wichtige Finanzierungssicherheit für die Landwirtinnen und Landwirte sowie Investoren wie SUNfarming führen.

Flächen werden geschützt

„Mit einem höheren Zuschlagswert in der Bundesnetzagentur-Ausschreibung entsteht für mittelständische Investoren, wie Landwirtinnen, Landwirten und Unternehmen wie uns die entscheidende Grundlage, die wir für die Bankfinanzierung benötigen“, so Seemann. „Durch Stromkaufvereinbarungen oder Direktstromlieferung an regionale Unternehmen sichern wir dann den langfristigen Betrieb der Agri-PV-Anlagen möglichst außerhalb der EEG-Förderung.“ Für Seemann ist das Solarpaket 1 ein klares Zeichen, dass Flächenentnahmen aus der Landwirtschaft durch PV vermieden werden sollen. „Zudem bleiben Flächen, die mit Agri-PV-Anlagen nach DIN SPEC 91434 doppelt genutzt werden, grund- und erbschaftssteuerlich unverändert landwirtschaftliches Vermögen, da die Fläche ja weiterhin nachweislich landwirtschaftlich zum Erwerbszweck genutzt wird. Auf diese Weise bleiben Betriebe auch für Folgegenerationen erhalten.“

Bodendichtung wird vermieden

Der Anbau von klassischen Feldfrüchten, wie Weizen, Mais, Rüben oder Kartoffeln mit Großmaschinen ist unter den Agri-PV-Anlagen aufgrund der Stützpfosten nicht möglich. „Durch Einsatz von kleineren landwirtschaftlichen Maschinen und zukünftig Agri-Robotern wird Bodenverdichtung vermieden“ sagt die SUNfarming-Geschäftsführerin. „Gülle-Ausbringung ist unter Agri-PV nicht mehr möglich.“ So tragen Agri-PV-Anlagen nach DIN SPEC 91434 zur „Entschleunigung“ und ökologischeren Nutzung der Flächen bei. „Bei fehlenden Fachkräften und durch die neuen KI- und Robotik-Anwendungen in der Landwirtschaft bietet eine Agri-PV-Anlage ideale Zukunftsvoraussetzungen und sichere Zweiteinkommen für Landwirtinnen und Landwirte“, erklärt Seemann. „SUNfarming Agri-PV-Anlagen haben dank ihrer hohen Qualität im Bereich Unterkonstruktion und Glas-Glas-Module eine prognostizierte Lebensdauer von mindestens 30 Jahren, jedoch auch bis zu 50 Jahren.“

Agri-PV in der Forschung

Das Forschungszentrum Jülich testet bei Morschenich Alt, inzwischen umbenannt in Bürgewald, welche Möglichkeiten bei der Kombination von Landwirtschaft, Solarenergie und Robotik möglich sind. Hier werden Roboter getestet, die unterhalb der Solarpaneele Pflanzen pflegen und ernten. „SUNfarming als führender Anlagenentwickler hat die Agri-PV-Anlagen in Morschenich im Auftrag des Forschungszentrums Jülich und von Fraunhofer gebaut“, sagt Seemann. Diese Spezialanlagen, die noch höher aufgeständert sind und sich zum Teil nach der Sonne ausrichten, seien teurer und auch anfälliger als feststehende Agri-PV-Anlagen nach DIN SPEC. „Die Wahrscheinlichkeit, dass unvorhersehbare Wetterereignisse und auch Verunreinigungen durch landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu erheblichen Schäden an nachgeführten Anlagen führen können, ist hoch. Die Betriebs- und Wartungskosten sind somit deutlich höher als bei fest aufgeständerten Anlagen, die problemlos jahrzehntelang betrieben werden können.“

Positive Auswirkungen

Je nach landwirtschaftlicher Nutzung kommen in der Landwirtschaft ganz unterschiedliche Agri-PV-Konzepte zur Anwendung. „SUNfarming bietet speziell für tierwohlgerechte Haltung von Nutztieren und Gemüseanbau die Agri-PV-Tische mit vier Stützen und die sogenannten ‚Umbrellas‘ (dt. „Regenschirme“) als spezielle Agri-PV Obst-Anlage mit zwei Mittelstützen und Abspannungen für Obst- und Weinanbau“, erklärt Seemann. Die Solarmodule schützen die Pflanzen nicht nur vor Sonne, Starkregen und Hagel, sondern wirken sich auch positiv auf Klima und Boden aus. „Im Sommer bleibt es darunter zwei Grad kühler, was mehr Bodenfeuchtigkeit bedeutet“, erklärt die Geschäftsführerin. In der Wesermarsch hat SUNfarming eine erste Moor-PV-Anlage errichtet. „Durch unsere Spezialisierung in Anlagenbau und Gründungssystemen konnten wir eine Lösung entwickeln, die die Wasserverdunstung aus Moorgebieten und damit die CO2-Emission stark verringert“, so Seemann. Die Anlage steht auf einem extra für das Hochmoor entwickelten Gründungssystem. „Das Weideland für das Milchvieh in dieser Region wird somit erhalten, doch CO2 wird erheblich im Boden gebunden, weil die Transpiration auf den Flächen verringert wird.“

Heinsberg baut Agri-PV-Anlage aus

Inzwischen ist der Satzungsbeschluss für den zweiten Bauabschnitt, des Solarparks auf dem Gelände dem ehemaligen Tagebau Wilhelm in Heinsberg erfolgt, nun sollen knapp 4,9 Megawatt-Peak installierte Agri-PV nach DIN SEPC und ein Batteriespeicher dazukommen. „Hier besteht die Möglichkeit, den bereits am Standort vorhandenen Solarpark auszubauen, weiter CO2-Emissionen zu reduzieren und grünen Strom zu produzieren“, so Bürgermeister Kai Louis. „Das entspricht den klimapolitischen Zielen des Bundes, wird der Nutzung Erneuerbarer Energien gerecht und trägt den Belangen der Energieversorgung Rechnung.“

Gigawattpakt unterstützt Photovoltaik

Im Rahmen des Gigawattpakts fördert Nordrhein-Westfalen den Ausbau von Photovoltaikanlagen im Rheinischen Revier. Bis ins Jahr 2028 stehen bis zu 60 Millionen Euro zur Verfügung, um Kommunen, Städte und Gemeinden bei der Errichtung von Photovoltaikanlagen inklusive Batteriespeichern zu unterstützen. Der Gigawattpakt ist ein Bündnis aus rund 60 Landkreisen, Kommunen und Unternehmen, das im März 2022 gegründet wurde, um den Ausbau der erneuerbaren Energien im Rheinischen Revier voranzutreiben. Ziel ist es, die Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien bis 2028 auf mindestens fünf Gigawatt zu erhöhen.

 

Bildnachweis: Adobe Stock – Karoline Thalhofer

 

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Nicole Kolster
Projektmanagerin Energie
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