Synergien durch intelligente Vernetzung
Das Besondere am Projekt „BioDig“ ist die Zusammenarbeit zwischen zwei ganz unterschiedlichen Fachbereichen. Dr. Robert Koller ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pflanzenwissenschaften des Forschungszentrums Jülich. Sein Spezialgebiet ist vor allem die Pflanzen-Phänotypisierung, also die zerstörungsfreie und quantitative Analyse des Erscheinungsbildes von Pflanzen. Dabei wird etwa die Architektur von Wurzeln oder die Anzahl der Blätter erfasst und wie sie sich unter dem Einfluss von Umweltfaktoren verändern.
Prof. Dr. Volker Sander, Professor für Angewandte Informatik an der Fachhochschule Aachen, ist Experte in einem ganz anderen Themenfeld. Bei ihm geht es vor allem darum, einen Mehrwert aus der Verarbeitung von großen Datenmengen zu erzeugen. Aber wieso arbeiten zwei derart unterschiedliche Fachbereiche im Projekt „BioDig“ zusammen? „Wir sehen beim Strukturwandel im Rheinischen Revier die große Chance, die regionale Landwirtschaft durch neue Technologien zu modernisieren und nachhaltiger zu machen.
Aber dafür braucht es auch eine entsprechende Infrastruktur“, erklärt Dr. Robert Koller. Das Rheinische Revier hat sehr gute Böden und ist stark durch die Landwirtschaft geprägt. Zugleich gibt es am Standort Jülich zahlreiche Forschungsprojekte, in denen innovative Technologien entwickelt werden. „Wir wollen diese perfekten Voraussetzungen nutzen und eine digitale Infrastruktur aufbauen, die das Erfassen, Speichern, Analysieren und Bereitstellen von Daten aus der Landwirtschaft erleichtert.
Auf dieser Plattform können Wissenschaftler, Auszubildende, Unternehmensgründer und junge Firmen ihre Ideen ohne digitale Hürden gemeinsam ausprobieren, was sich üblicherweise oftmals als schwierig bis unmöglich erweist. Wissenschaftliche Innovationen lassen sich somit deutlich schneller in neu entstehende Geschäftsmodelle, Unternehmen und neuartige Arbeitsplätze im Rheinischen Revier überführen“, sagt Koller.
Praxisnahes Forschen
Robert Koller kommt nicht aus dem Rheinischen Revier, sondern aus Westfalen: „Die Familie meines Vaters lebt im westfälischen Hamm. Mit dem Ausstieg aus der Steinkohle sahen viele Menschen dort vor allem die negativen Begleiterscheinungen des Wandels in der Region. Deshalb will ich mich im Rheinischen Revier dafür einsetzen, den Wandel im Zuge des Braunkohleausstiegs positiv mitzugestalten“, erzählt Koller.
Sein Kollege Volker Sander ist Standortsprecher der FH Aachen am Campus Jülich: „Dadurch bin ich schon von Amts wegen her sehr stark in die Vorhaben des Strukturwandels involviert. Ich habe aber auch persönlich miterlebt, wie der Braunkohletagebau über viele Jahre die Landschaft im Rheinischen Revier verändert hat. Ich glaube fest daran, dass wir hier immense Stärken haben, die dabei helfen können, die Zukunft aktiv zu gestalten“, so Sander.
„Es ist schon einzigartig, wie nah an der Praxis wir in diesem Projekt arbeiten können“, ergänzt Robert Koller. „Unsere Forschungsergebnisse münden nicht in irgendeiner Machbarkeitsstudie, sondern werden zur Entwicklung neuer Produkte und Geschäftsmodelle beitragen.“
Hightech in der Landwirtschaft
Die Zukunft auf regionalen Feldern ist digital. Dabei kommen immer mehr Technologien zum Einsatz, die zu einer nachhaltigeren, umweltschonenden Lebensmittelproduktion beitragen. Mit der Datenverarbeitung von solchen technologischen Innovationen befassen sich auch Robert Koller und Volker Sander: „Mittels Sensorik und intelligenter Datenerfassung und -verarbeitung können Landwirte heute schon die Bewirtschaftung ihrer Felder präzise steuern.
Die Daten geben Auskunft über den Zustand der Böden und der Pflanzen. So scannen Kameras beispielsweise Pflanzen. und aus dem Ergebnis lässt sich dann errechnen, wie viele Nährstoffe eine Pflanze gerade benötigt oder etwa, wie hoch die Wasseraufnahme ist. „So kann zum Beispiel ein Landwirt seinen Düngereinsatz passgenau regulieren“, erklärt Volker Sander.
Dadurch werden die Gewässer geschont und die Qualität der Pflanzen nimmt zu. „Es gibt schon einige Landwirte, die solche digitalen Tools nutzen“, sagt Robert Koller und betont: „Die Technik soll den Menschen ja nicht völlig ersetzen, sondern sinnvoll unterstützen.“
Hintergrund:
BioökonomieREVIER Rheinland – Modellregion für nachhaltiges Wirtschaften
Ein Schwerpunkthema des Strukturwandels im Rheinischen Revier ist die Bioökonomie. Hier entsteht im Rahmen des Sofortprogramms der Bundesregierung zum Braunkohleausstieg eine Modellregion für ressourceneffizientes und nachhaltiges Wirtschaften.
Auf der Basis bio-basierter Innovationen werden neue, regionale Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle etabliert. Die Initiative wird vom Institut für Pflanzenwissenschaften am Forschungszentrum Jülich koordiniert.
Ein wichtiger Bestandteil der Modellregion sind 15 Innovationslabore. In einem interdisziplinären Forschungs-Konsortium engagieren sich regionale Universitäten und Forschungseinrichtungen für einen schnellen Transfer von Forschungsideen in die wirtschaftliche Umsetzung.
Beteiligt sind die RWTH Aachen und die Fachhochschule Aachen, das Forschungszentrum Jülich, Institute der Fraunhofer Gesellschaft sowie die beiden regionalen Unternehmen YNCORIS GmbH & Co. KG und SenseUP Biotechnology GmbH./pak